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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 12.07.2007
Aktenzeichen: 9 UF 218/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, SGB II, SGB XII, UVG


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 115
ZPO § 119 Abs. 1
ZPO § 522 Abs. 2
BGB § 1361
BGB § 2033 Abs. 1 Satz 1
SGB II § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
SGB II § 20
SGB II § 21
SGB II § 22
SGB II § 33 Abs. 1 Satz 1
SGB XII § 94 Abs. 1 Satz 1
UVG § 7 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 UF 218/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Seidel, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Werr und den Richter am Oberlandesgericht Götsche

am 12. Februar 2007

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag des Klägers vom 19. Januar 2007 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung wird zurückgewiesen.

2. Der Senat beabsichtigt die Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO. Insoweit wird dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses gewährt.

Gründe:

A.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist bereits deshalb zurückzuweisen, da der Kläger seine Bedürftigkeit nicht ausreichend dargetan hat, §§ 115, 119 Abs. 1 ZPO.

I.

Zu beanstanden ist zunächst, dass die Erklärung zur Prozesskostenhilfe vom 19. Januar 2007 lückenhaft ausgefüllt ist. So fehlen Angaben zu Beruf, Erwerbstätigkeit, Geburtsdatum und Familienstand; die entsprechenden Felder hat der Kläger nicht ausgefüllt. Darüber hinaus hat der Kläger hinsichtlich seines Girokontos keinerlei Angaben zu einer evtl. Guthabenhöhe getätigt; es fehlt auch an der Beifügung eines entsprechenden Beleges.

II.

Ferner hat der Kläger bislang nicht ausreichend dargetan, dass er über keinerlei Vermögenswerte verfügt, die er zur Begleichung der Prozesskostenhilfe einsetzen könnte.

1.

Die Beklagte hat im Rahmen der Hauptsache substanziiert unter Angabe einer Kontonummer der B... ...bank das Bestehen eines Kontos des Klägers in der Schweiz dargetan (Schriftsatz vom 2. Dezember 2005). Hierzu hat sich der Kläger in seinem Schriftsatz vom 31. März 2006 nur unzureichend eingelassen, ohne im Einzelnen darzutun, dass ein solches Konto tatsächlich nicht existiert. Dabei hätte es nahe gelegen, dass er einen entsprechenden Beleg der schweizerischen Bank anfordert, dass ihm ein solches Konto nicht zur Verfügung steht bzw. dass darauf kein Kontoguthaben existiert.

2.

Darüber hinaus ist der Kläger Miterbe nach seiner am 24. Juli 2005 verstorbenen Mutter. Insoweit hat der Kläger allein zu den bestehenden Erbschaftsverbindlichkeiten vorgetragen (Schriftsatz vom 31. März 2006), ohne aber zu den Aktiva des Nachlasses Stellung zu nehmen. Der bloße Hinweis auf die mangelnde Auseinandersetzung der Miterbengemeinschaft genügt nicht, soweit dem Kläger hieraus tatsächlich ein Vermögenswert zur Verfügung steht, den er dann - sei es im Wege einer Beleihung, sei es im Wege einer Veräußerung nach § 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB - zur Begleichung der Prozesskosten einzusetzen hätte.

3.

Ferner hat der Kläger die Ableistung von Steuerrückzahlungen an die Beklagte für den Veranlagungszeitraum 2004 in Höhe von 11.080 € und 2005 in Höhe von 3.900 € behauptet (Schriftsatz vom 24. Oktober 2004, Berufungsbegründung). Unabhängig davon, dass diese Behauptung bislang mangels Beifügung entsprechender Belege unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrages wohl eher einer Vermutung des Klägers entspringt, ist zu berücksichtigen, dass die im Januar 2005 vollzogene Trennung der Parteien für beide Veranlagungszeiträume die Möglichkeit einer steuerlichen Zusammenveranlagung eröffnet. Beruhen die genannten Beträge der Einkommenssteuerrückerstattungen aber auf einer Zusammenveranlagung, so ist der Kläger an den Rückerstattungen grundsätzlich zu beteiligen. Insoweit ist allein bekannt, dass er im Jahr 2005 nach derzeitigem Stand keinerlei Einkommenssteuern gezahlt hat, weshalb ein evtl. Erstattungsbetrag allein der Beklagten zuzurechnen wäre. Anders aber für den Veranlagungszeitraum 2004, da es insoweit an jeglichem Vortrag des Klägers hinsichtlich seiner Einkünfte fehlt.

Soweit dagegen hinsichtlich der Erfolgsaussichten der klägerischen Berufung nach derzeitigem Stand nicht einmal von einem Zufluss der entsprechenden Steuerrückerstattungen ausgegangen werden kann - vgl. dazu noch unten -, ist dies im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren unberücksichtigt zu belassen. Da der Kläger entsprechende Steuerrückerstattungen behauptet hat, und er für seine Bedürftigkeit die volle Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens trägt, obliegt es ihm im Einzelnen darzutun, dass er an einer Steuerrückerstattung aus dem Veranlagungszeitraum 2004 nicht zu beteiligen ist. Im Übrigen wäre dem Kläger sogar ein entsprechender Anspruch auf einen Anteil an der Steuerrückerstattung zuzurechnen, wenn eine Steuerrückerstattung mangels einer Steuererklärung bislang zwar nicht geflossen ist, dem Kläger aber ein solcher Anspruch zustünde, und er es damit unterlassen hätte, diesen durch Einreichung einer entsprechenden Steuererklärung geltend zu machen.

B.

Unabhängig von den vorstehenden Bedenken an der Bedürftigkeit des Klägers bestehen nach derzeitigem Stand keine Erfolgsaussichten für die Durchführung der eingelegten Berufung. Auch aus diesem Grunde ist der gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß den §§ 114, 119 Abs. 1 ZPO zu versagen. Zugleich beabsichtigt der Senat deshalb die Zurückweisung der Berufung als unbegründet gemäß § 522 Abs. 2 ZPO.

I.

Das Vorbringen des Klägers, der sich eines Trennungsunterhaltsanspruchs aus § 1361 BGB berühmt, ist bereits im Ansatz gänzlich unsubstanziiert und daher unbeachtlich. Es fehlt bereits an der ausreichenden Darlegung der eheprägenden Verhältnisse.

Der Kläger hat bislang allein die Einkommensverhältnisse der Parteien für die Zeit nach der Trennung dargetan. Welche eheprägenden Verhältnisse dagegen bis zur Trennung, d. h. bis zu dem maßgeblichen Einsatzzeitpunkt vorherrschten, ist bislang zumindest im Detail unbekannt. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der Kläger allem Anschein nach vormals als Immobilienmakler tätig war und daraus auch Erwerbseinkünfte erzielt hat. Hieraus ergeben sich aber möglicherweise einerseits Konsequenzen für die Höhe des geltend gemachten Unterhaltsanspruchs, andererseits richtet sich auch die Beantwortung der Frage der den Kläger treffenden Erwerbsobliegenheiten nach den während des ehelichen Zusammenlebens obwaltenden (Erwerbs-)Verhältnissen. Zudem hängt es davon ab, ob eine möglicherweise für den Veranlagungszeitraum 2004 anfallende Einkommenssteuerrückerstattung - vgl. dazu bereits die vorstehenden Ausführungen unter A. II. 3. - dem Kläger zumindest anteilig zuzurechnen ist.

II.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Kläger seine Bedürftigkeit nicht ausreichend dargetan hat.

1.

Dabei kann erneut auf die vorstehenden Ausführungen zur mangelhaften Darlegung der Bedürftigkeit des Klägers innerhalb des Prozesskostenhilfeantrages verwiesen werden. Weder hinsichtlich der Konten in der Schweiz noch einer Erbschaft nach seiner Mutter hat sich der Kläger ausreichend erklärt. Insoweit kann nicht überprüft werden, inwieweit dem Kläger hieraus möglicherweise seine Bedürftigkeit mindernde Einkünfte zufließen.

Dies gilt auch für die geltend gemachten Steuerrückerstattungen an die Beklagte. Selbst wenn aus diesen Rückerstattungen dem Kläger keine Einkünfte zuzurechnen wären - was bislang offen ist -, so fehlt es insoweit an jeglichem substanziierten Vortrag des Klägers zum genauen Zahlungszeitpunkt, weshalb unter Beachtung des sog. In-Prinzips auch eine Zurechnung zum Einkommen der Beklagten derzeit nicht möglich ist.

2.

Auch soweit der Kläger sich darauf beruft, allein Einkünfte nach dem SGB II zu beziehen und seit Januar 2005 arbeitsunfähig erkrankt zu sein, ist sein Vorbringen gänzlich unsubstanziiert. Die durch den Kläger eingereichten ärztlichen Bescheinigungen weisen aus, dass der Kläger seit Anfang des Jahres 2005 arbeitsunfähig ist; nähere Angaben zu Grund und Umfang der bestehenden Arbeitsunfähigkeit werden nicht genannt.

Allein der für die Verhinderung zur Gerichtsverhandlung vom 4. Juli 2006 geltend gemachte Verweis auf eine psychiatrische Erkrankung genügt dem notwendigen substanziierten Vorbringen des Klägers zu seiner eingeschränkten Erwerbsfähigkeit erkennbar nicht. In diesem Zusammenhang weist der Senat den Kläger vorsorglich darauf hin, dass auch die zur PKH-Akte gereichten Bescheinigungen aus demselben Grunde nicht ausreichend sind, das klägerische Vorbringen zu stützen.

Damit kann weder überprüft werden, ob der Kläger vollständig bzw. gegebenenfalls teilweise nicht in der Lage ist, zu arbeiten. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass allein die Tatsache des Bezuges von Hartz IV-Leistungen nicht ausreicht, um den eigenen Erwerbsobliegenheiten zu genügen (Brandenburgisches OLG NJW-RR 2005, 949; Götsche, Auswirkungen des Bezuges von Hartz IV-Leistungen im Unterhaltsrecht, FamRB 2006, 53), zumal die Behauptung vollständiger Erwerbsunfähigkeit angesichts des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II unter Beachtung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II sogar widersprüchlich ist (Brandenburgisches OLG FamRZ 2007, 72, 73 = jurisPR-FamR 2/2007 [Götsche]).

Ob dem Kläger daher ein evtl. Verstoß gegen die ihn treffende Erwerbsobliegenheit anzulasten ist, der zur Zurechnung eines fiktiven Einkommens führen würde, kann daher derzeit nicht abschließend überprüft werden. Dies geht zu Lasten des für die eigene Bedürftigkeit in vollem Umfange darlegungs- und beweisbelasteten Klägers. Wenn aber dem Kläger möglicherweise bereits ein Erwerbsobliegenheitsverstoß vor dem Eintritt einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung anzulasten wäre, könnte er sich möglicherweise auf seine Erkrankung nicht - jedenfalls nicht in vollem Umfang - berufen. Dann wären ihm zumindest entsprechende Zahlungen von Krankengeld fiktiv zuzurechnen.

III.

Bei der Berechnung des Bedarfes des Klägers ist zu beachten, dass der Kläger - wie im Übrigen auch das Amtsgericht - fälschlicherweise die nach dem SGB II bezogenen Leistungen der Ermittlung seines Bedarfes zu Grunde gelegt hat.

1.

Bei diesen Leistungen handelt es sich um allein bedarfsdeckende Leistungen nach dem SGB II, die daher subsidiär und dem Kläger nicht als unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen zuzurechnen sind (vgl. auch Götsche, Aktuelles zum Bezug von Hartz IV-Leistungen, FamRB 2006, 373, 375 - Übersicht rechte Spalte). Ausweislich der vorgelegten Bescheide zum Bezug von Arbeitslosengeld II hat der Kläger zunächst allein die Regelleistung nach § 20 SGB II und ab November 2005 darüber hinaus auch eine Leistung wegen Mehrbedarfes nach § 21 SGB II sowie für die Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II bezogen. Diese Leistungen dienen allein der Bedarfsdeckung und gelten daher nicht als Einkommen des Klägers. Sie haben damit weder bedarfsbemessende noch bedarfsdeckende Funktion. Aus der Berechnung eines dem Kläger zustehenden Unterhaltsanspruches sind diese Einkünfte herauszuhalten.

2.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Kläger seine seit Juli 2006 bezogenen Leistungen nach dem SGB II nicht korrekt dargestellt haben dürfte. Seit dem 1. Juli 2006 ist der Regelsatz bundeseinheitlich 345 €, die Differenzierung zwischen Ost und West ist entfallen. Damit dürfte der Kläger über erhöhte Bezüge verfügen, die er aber nicht dargetan hat; der zeitlich letzte Bescheid erfasst allein die Gewährung der Regelleistung für die neuen Bundesländer von 331 €.

IV.

Selbst unter Zurückstellung sämtlicher vorstehenden Bedenken kann nach derzeitigem Stand nicht festgestellt werden, ob der Kläger über den im angefochtenen Urteil zuerkannten Unterhalt hinaus bis zum Entscheidungszeitpunkt des Senates (12. Februar 2007) aktivlegitimiert ist.

1.

Die teilweise fehlende Aktivlegitimation des Klägers folgt aus der seit dem 1. August 2006 geltenden gesetzlichen Neuregelung des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Nach dieser Norm findet bei Hartz IV-Leistungen ein gesetzlicher Forderungsübergang der vorhandenen Unterhaltsansprüche des Empfängers der Bezüge, wie er auch in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII für die Sozialhilfe oder in § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG für den Unterhaltsvorschuss vorgesehen ist, statt. Eine Übergangsregelung ist nicht vorgesehen. Damit werden auch Unterhaltsansprüche erfasst, die bereits vor dem 1. August 2006 entstanden sind (Götsche, Aktuelles zum Bezug von Hartz IV-Leistungen, FamRB 2006, 373, 375).

2.

Ausgehend von den durch den Kläger in der Begründung seiner Berufung zu Grunde gelegten Nettoeinkünften der Beklagten ergeben sich unter Berücksichtigung nachstehender Tabelle in der Zeile Aktivlegitimation des Klägers Beträge, die jeweils unterhalb des in der nächsten Zeile ausgewiesenen titulierten Unterhalts liegen:

 ab April 2005ab Juli 2005ab November 2005
Einkommen Beklagte1.251,21 €1.165,50 €1.165,50 €
Hälfte = Bedarf des Klägers625,61 €582,75 €582,75 €
abzgl. ALG II des Klägers331,00 €331,00 €651,50 €
Aktivlegitimation des Klägers294,61 €251,75 €- 68,75 €
titulierter Unterhalt390,00 €280,00 €280,00 €

 ab Januar 2006Februar 2007
Einkommen Beklagte993,25 €1.093,00 €
Hälfte = Bedarf des Klägers496,63 €546,50 €
abzgl. ALG II des Klägers651,50 €651,50 €
Aktivlegitimation des Klägers- 154,88 €- 105,00 €
titulierter Unterhalt280,00 €280,00 €

Damit mangelt es der Berufung nach derzeitigem Stand an Aussicht auf Erfolg.

V.

Aus den vorgenannten Gründen mag dahinstehen, dass die auf dem Entfallen einer berücksichtigten Ratenzahlungsverpflichtung der Beklagten ab Februar 2007 (1.093 € anstelle von 993,25 €, vgl. die vorstehende Tabelle unter B. IV.) beruhende Zurechnung eines höheren Einkommens der Beklagten nicht gerechtfertigt sein dürfte. Hierzu hat die Beklagte erstinstanzlich vorgetragen, dass bei Entfallen einer Zahlungsverpflichtung die D... ...bank R...bank eG, bei der Verbindlichkeiten der Parteien von rund 390.000 € bestehen, die der Beklagten derzeit gewährte Rate zur Rückführung von 150 € entsprechend erhöhen wird (Schriftsatz der Beklagten vom 19. Oktober 2006). Dem ist der Kläger bislang nicht entgegengetreten.

Ende der Entscheidung

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